St. Oswald – Ausstellung Herbert Muckenschnabl 2024
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Ausstellungsgäste!
Liebe Elisabeth Ettl, lieber Herbert Muckenschnabl!
Man müsste vorab hinterfragen, ob „malen‘ das Herstellen von Bildern mit Pinsel und Farbe ist, oder ob es doch eine Haltung, eine Einstellung zu dem Entstehungsprozess ist, eine Haltung bezüglich des Sehens und damit verbunden in Folge eine Haltung zu einem Bild, zu einem visuellen Ereignis, zu einem künstlerischen Werk.
Ist „malen‘ ein Verb, das den Umgang mit jenen tradierten Werkzeugen unvermeidlich bedingt, oder ist „malen‘ ein übergeordneter Begriff für ein Anordnen von Farbe, von Flächen und Linien auf einem wie auch immer gearteten Malgrund?
Und schnell stellt sich die Frage: Wo kommt die Inspiration zu den Bildern von Herbert Muckenschnabl her? Was waren der Grund, die Aufregung, die Anregung? Waren es innere Welten oder die Natur, waren es Phantasiegespinste oder war es die uns umgebende „reale Welt‘? Ist es überhaupt notwendig, Bezüge bei den Bildern von Herbert Muckenschnabl zu einer wie auch immer gearteten Realität herzustellen?
Herbert Muckenschnabl zerlegt im wahrsten Sinne des Wortes das Motiv und fügt es auf komplizierte und zu höchst penible Art und Weise wieder zusammen.
Und damit komme ich zu der kreativen Leistung des Künstlers.
Diese Vorgehensweise, dieses Zerlegen und Zusammensetzen in der Kunst ist uns allen bekannt, sie ist nicht neu, sie ist über Jahrhunderte erprobt. Es ist die Vorstellung Goethes von Kunst, die davon berichtet, dass unser großes Vorbild Natur – in Einzelteile zerlegt und in einem Kunstwerk neu gestaltet zusammengesetzt – über den wahren Geist der Natur und deren Wesen berichtet.
Auf diese Weise wird das Zusammengeführte – so Goethe – erst zu der ,wahren Natur‘, weil sie von dem berichtet, was ihr zu eigen ist, und zwar auf eine neue vorab noch nie gesehene Art und Weise. Es ist die Tradition der Romantik, die Versatzstücke aus der realen uns umgebenden Natur hernimmt, um Neues entstehen zu lassen.
In Herbert Muckenschnabls Arbeiten, die zugleich Seelenlandschaften des Künstlers aufzeigen, entdecke ich, dass es auch um die Auseinandersetzung mit dem Alltag geht, um Lebensbewältigung.
Und ich entdecke darin vor allem die Sehnsucht nach Ruhe, des Abgeschiedenseins, des Insichgehens als Kontrast zum Alltag, der vom Künstler Funktionalität verlangt.
Und man kann oft in seinen Arbeiten erkennen, welche Rolle er selbst spielt. Ob er Zuschauer, Schauspieler, Autor oder der Regisseur ist.
Wichtig ist wohl aber, dass er alle Optionen durchspielt. Nicht gleichzeitig, aber nacheinander, er darf keine Stufe auslassen, alle Darstellungen sind wichtig.
Manchmal gibt es Umwege dabei, Einbahnstraßen, Sackgassen. Mal geht es bergauf, mal bergab. Wir spielen und leben, mal ein dramatisches, ein trauriges, ein lustiges, ein verhaltenes, ein bedeutendes oder ein offenes Lebensstück.
Das absolute Ziel ist aber, die Regie in unserem Leben zu führen, das, wo wir hinstreben, im Auge zu behalten, mit viel Platz zum Selberdenken und Handeln.
Voller Sinnlichkeit und Vielschichtigkeit sind Herbert Muckenschnabls Arbeiten. Aus ihnen strahlt menschliche Wärme und leuchtet Liebe zur Natur.
In seinen Bildern bemerke ich Zärtlichkeit; sie sind stimmig mit ihm, mit seinem Leben, und offenbaren sein gezeichnetes ICH.
Eine Kunst, die zum subjektiven Erleben verstanden werden muss. Keine der Arbeiten ist eine Wiederholung. Jede ein Unikat was die Bildkomposition anbetrifft, also keine Konfektion.
Herbert Muckenschnabl hat die ihm entsprechende Bildsprache gefunden. Er hat eine selbstgemäße Ausdrucksform erprobt und so einen eigenständigen Stil für sich herausgebildet.
Herbert Muckenschnabl vertraut immer seinem sicheren Gefühl für den eigenen Weg. Ihm ist klar, dass handwerkliches Können und selbstkritische Arbeitsweise die eine Seite der Ausbildung waren. Individualität und Persönlichkeitsbildung waren aber die andere Voraussetzung zur Bewältigung eines künstlerischen Anliegens.
Es entstehen Spannungen, die Aufmerksamkeit erregen, sensible eigenartige Kompositionen mit farblichen Kontrasten. Das Auge hat eine Vielfalt, Fülle und Dichte von Formen zu bewältigen.
Begebenheiten und Zustände sind in seine Arbeiten hinein gewebt. Dabei zeigt er verschiedene Jahres- und Tageszeiten, gibt harmonische und brüchige Räume wieder.
Natur und Menschenwerk, Phantastik und Präzision, Ferne und Nähe, Licht und Schatten, Vergehen und Wachstum begegnen einander. Es entstehen Harmonien mit weiten Bildräumen und feinsinnig differenzierten Tonwerten.
Was der Betrachter sieht, muss ein Text zur Ausstellungseröffnung eigentlich nicht mehr beschreiben.
Aber Kunst entzieht sich jeder Erklärung und verlangt wohl mehr einen verweilenden, konzentrierten Blick.
Und dann kommt das Gespräch hinzu.
Nicht nur zu den Bildern, auch zu den Antrieben, zu den Erlebnissen, den Träumen, zum Einfangen der Stimmung, zu den Ideen, zur Form des Ausdrucks und zur Lust am diskutieren und philosophieren.
Kunst beinhaltet auch immer Selbstbefragung. Es ist eine Methode der Wechselwirkung zwischen dem inneren Selbst und der äußeren Welt verständlich zu werden.
Es geht darum, welche inneren Bilder evoziert das ausgestellte Bild, denn wir wissen über die Kunstbetrachtung, über die Interaktion zwischen Betrachter und Objekt, dass die Strecke zwischen Objekt und Betrachter entscheidend ist: Auf dieser Strecke entwickelt sich die Erkenntnis über das betrachtete Objekt.
Oder anders gefragt: Welches Gefühl, welche Atmosphäre weckt mich auf und was empfinde ich im gegenüber mit dem gezeigten Bild?
Welche Geschichte erzählt das Kunstwerk, was dokumentiert es oder wo führt mich das Ganze hin?
Oder noch anders formuliert: Welche Anregungen bekomme ich, und wie verführt mich das wie auch immer gemachte Bildnis?
Sicherlich wird jeder Einzelne von uns Schwerpunkte setzen in dem Umgang mit Bildern, mit einem Sujet oder den Möglichkeiten eines Kunstwerkes.
Das wiederum hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, der Künstler grenzt unser Erleben ja im Vorhinein schon ein, er leitet uns absichtsvoll in eine Richtung.
Goethe spricht über den Künstler, indem er schreibt:
„ [...] es verdrießt ihn, der Natur ihre Buchstaben im Zeichnen nur gleichsam nach zu buchstabieren; er [der Künstler] erfindet sich selbst eine Weise, macht sich selbst eine Sprache, um das, was er mit der Seele ergriffen, wieder nach seiner Art auszudrücken, einem Gegenstande, den er öfters wiederholt hat, eine eigne bezeichnende Form zu geben, ohne, wenn er ihn wiederholt, die Natur selbst vor sich zu haben, noch auch sich geradezu ihrer ganz lebhaft zu erinnern.“
Herbert Muckenschnabl ist ein Ästhet, der der Vielfalt der Möglichkeiten, welche uns bildnerisch umgeben, misstraut und der von Bild zu Bild versucht, in der Beschränkung eine Welt zu schaffen, die seinen künstlerischen Intentionen entspricht.
Eine Ausstellung ist immer ein Anlass der Begegnung des Künstlers mit dem Betrachter, dem Besucher.
Der Betrachter ist mitten im Geschehen zwischen dem Künstler und sich selbst.
Und so ist es möglich, dass man sich vielleicht im Betrachten der Bilder selbst begegnet.
Unsere Begegnung mit dem Anderen, dem Fremden bleibt wohl notwendig in der Spannung zwischen Verstehen und Nichtverstehen befangen.
Vielleicht öffnen sich aber gerade dort, wo das Verstehen endet und die Irritation beginnt, subjektive Freiräume des Fabulierens, des Interpretierens, des Gestaltens.
Vielleicht entdeckt man sein Ich und sein Du!
Ohne den Betrachter, seinen wachen Blick, seine Fragen und Antworten ist die Kunst stumm.
Also, beleben wir zusammen mit dem Künstler den Dialog über die Arbeiten von Herbert Muckenschnabl.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Peter Glotz, kultur spektrum
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